80 Prozent aller Messen in Deutschland abgesagt

Wie geht es mit Präsenzveranstaltungen wie Fachmessen nun weiter? Unser Bild zeigt den Eingang Nord auf der Hannover-Messe-Gelände als 3D-Modell. Mehr hierzu über diesen Link.

Messen waren über Jahrzehnte hinweg das wichtigste Marketinginstrument der B2B-Branche. Laut einer Erhebung des Auma (Verband der deutschen Messewirtschaft) wurde fast die Hälfte des B2B Marketing Budget deutscher Aussteller im Jahr 2019 für Messen verwendet. Die Corona-Pandemie hat diesen Wirtschaftszweig stark ausgebremst und fast zum Stillstand gebracht. Rund 80 Prozent der fast 370 Messen, die für 2020 in Deutschland geplant waren, wurden verschoben oder abgesagt. Ein herber Schlag, für Messegesellschaften und Verlage mit einem starken Messeauftritt. Digitale Veranstaltungsformate rücken zunehmend in den Fokus und fordern ein Umdenken bei den Unternehmen. Im Rahmen der digitalen Konferenz „W&V MAKE – the new normal“ und einer gemeinsamen Veranstaltung der Messe München mit dem BVIK (Industrieverband für Kommunikation & Marketing) diskutierten Experten über die Zukunft der Messe.

Digitale Kommunikation statt virtueller Messe

„Viele Messegesellschaften und Marketer haben Jahrzehnte lang verschlafen, Messen und Live-Events zukunftsfähig aufzustellen. Hier muss ein Umdenken stattfinden“, macht Andreas Bauer, Vorstand des BVIK, die Problematik der Messebranche deutlich. Eine reine Transformation eines Präsenzevents in die digitale Welt, verbunden mit derselben Erwartungshaltung, sieht Bauer kritisch: „Messen und Live-Events haben eine große Bedeutung für die Industrie, da sie als Marktplatz für eine starke und gewachsene Community fungieren. Messen nur auf eine digitale Plattform zu bringen, macht jedoch keinen Sinn. Man muss die gesamte Bandbreite an Stärken nutzen, die die digitale Welt zu bieten hat, wie beispielsweise Virtual und Augmented Reality sowie Social Media.“ Diese Kritik bestätigt auch die BVIK-Studie „Digitalisierungsschub 2020 im B2B-Marketing“, laut der nur ein Drittel der Befragten zufrieden mit dem Besuch von virtuellen Messen war. Die Lösung wäre laut des Vorstands deshalb keine virtuelle Messe, sondern ein anderes Kommunikationsangebot als Ergänzung zur Live-Veranstaltung. Auch eine ganzjährige und somit zeit- und ortsunabhängige Vernetzung der Messe-Community sieht er als Projekt der Zukunft.
Hendrik Hochheim, Leiter des Instituts der deutschen Messewirtschaft & Abteilungsleiter Messen Deutschland beim Auma, ergänzt: „Die Veränderungen der Messen haben schon vor Corona begonnen und wurden dadurch beschleunigt. Sie bieten aber die Möglichkeit, Messen weiterzuentwickeln und neu zu denken, wofür Messen wirklich stehen. Die Customer Journey wird digitaler, wobei Messen das analoge Kraftzentrum bilden.“

Perlen für den Vertrieb

Kai Halter, BVIK-Vorstandsvorsitzender und Director Marketing des Ventilatorenherstellers EBM-Papst, ist ein Verfechter der Messe, macht sich aber große Sorgen um die Messe-Landschaft: „Je länger die Beschränkungen andauern und der Erfolg der Unternehmen trotzdem nicht ausbleibt, desto schwieriger wird es werden, sehr teure Maßnahmen wie Messen wiederzubeleben – zumal die Qualität der Aufwand eines Messe-Leads im Vergleich zu Online-Leads nicht geklärt ist.“ Laut Halter ist es im digitalen Umfeld leichter, Neukontakte zu akquirieren als auf einer Messe, zu der häufig Stammkunden und bekannte Interessenten kommen. Durch anschließende „Versorgung“ der Interessenten mit für sie relevantem Content beispielsweise über Marketing Automation, werden die Leads weiterqualifiziert, wodurch „echte Perlen“ an den Vertrieb weitergegeben werden können.
Den Messe-Experten ist es jedoch wichtig, auf die Qualität und die Unersetzbarkeit einer Messe auch in ihrer alten Form hinzuweisen. So sind sie sich einig, dass dieses Marketinginstrument auch in Zukunft erhalten bleiben wird. Der persönliche Kontakt, die Emotionen und das Messe-Erlebnis als solches können aus ihrer Sicht nicht durch virtuelle Formate ersetzt werden. Halter geht davon aus, dass der Fokus zukünftig auf den großen und wichtigen Leitmessen liegt und sich der Messe-Bereich in das eigene Unternehmen verlagert: „Das Bedürfnis mit Menschen am Tisch zu sitzen und Projekte zu besprechen, wird es auch nach Corona wieder geben. Was nicht so schnell wiederkommen wird, sind die großen Messeplätze. Der Weg geht zum eigenen, themenbezogenen Showroom, denn der Kunde möchte etwas erleben und man kommt zu einer ganz anderen Art der individualisierten Produktpräsentation. Hier ist das Marketing gefordert.“

 

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