Startup-Portrait: Business is in the Air

Tragfähig müssen nicht nur die Tragflächen, sondern auch das Geschäftsmodell sein – gerade in der Luftfahrt. Doch Startups im Bereich Airmobility fehlt bisher der Markt. Das Startup flyvbird will ihn erobern.

Haben Sie schon einmal versucht, schnell von Friedrichshafen nach Schwäbisch Hall in die Firmenzentrale von Würth zu gelangen? Ihnen käme sicherlich in den Sinn, den Bodensee-Airport Friedrichshafen (ICAO-Code EDNY) und Schwäbisch Hall (EDTY) zu nutzen. Die gut 200 km Luftlinie wären mit einem Regionalflugzeug in einer Dreiviertelstunde erledigt. Doch ganz so einfach ist das nicht, denn eine derartige Verbindung existiert nicht für den öffentlichen Personenflug. Mit der Bahn sind es dann doch mit dreimal Umsteigen knapp vier Stunden, vorausgesetzt natürlich, Sie verpassen keinen Anschlusszug – plus Anreise zur besagten Firmenzentrale. Kein Wunder, dass der Wirtschaftsstandort Friedrichshafen in die Kritik geraten ist, weil man nicht wenig Mühe hat, von dort weg zu kommen.
Eine derartige Malaise ruft Tomislav Lang und sein Startup flyvbird auf den Plan. flyvbird hat sich auf die Fahnen – oder besser vielleicht: „Flügel“ – geschrieben, Ende-zu-Ende gedachte Mobilität dadurch anzubieten, indem bestehende Regionalflughäfen miteinander vernetzt werden.
Zum Hintergrund: Weltweit gibt es über 22 000 Flugplätze, die von keinem Airline-Carrier angeflogen werden. In Deutschland sind von den zuständigen Landesluftfahrtbehörden 37 Flughäfen registriert, aber es gibt weitere 395 Start- und Landeplätze, meist nur für Sportflieger. Auf den Punkt gebracht lautet das Geschäftsmodell von flyvbird: „Wir bringen Sie zu einem angemessenen Preis von A nach B“, wobei „angemessen“ bedeutet, dass nicht im Corporate-Segment 600 bis 700 Euro pro Flug gearbeitet wird, sondern sich der durchschnittliche Ticketpreis zwischen 150 und 200 Euro belaufen soll. Ein KI-Algorithmus sorgt dafür, dass es sich auch die Großmutter leisten kann, so Tomislav Lang, am Wochenende ihre Enkel zu besuchen. Der Benchmark dabei ist die Deutsche Bahn, die für eine vergleichbare Strecke einen ähnlichen Preis (ohne Bahncard und ohne Zugbindung) aufgerufen würde – mit all dem möglichen Verlust an „Lebensqualität“, wie der Vielbahnfahrer und Autor des Beitrags aus eigener Lebenserfahrung zu berichten weiß.

In Italien fündig geworden

Tomislav Lang war zuvor in leitender Stellung beim berühmten Startup Volocopter aus Bruchsal tätig. Zwischen 2008 und 2013 leitete er die Geschicke der Berner SkyWork Airlines und „hatte auch das Glück, diese Airline zu besitzen“, wie er selbst sagt. Er kennt folglich das fordernde Business des Flugbetriebs aus dem Effeff. SkyWork ist mit acht Flugzeugen die größte Regionalfluggesellschaft der Schweiz, mit denen damals in zwei Jahren 250 000 Passagieren sicher ans Ziel gebracht wurden. „Der sehr fragmentierte Regionalmarkt ist noch schwieriger zu beherrschen als der des Hub and Spoke, der von konventionellen Airlines bedient wird. Denn es gilt: Wenn man mit leeren Sitzen abgeflogen ist, muss der verlorene Umsatz beim nächsten Flug durch höhere Preise wieder eingeflogen werden. Das ist im Allgemeinen nicht leicht durchsetzbar“, warnt Tomislav Lang und verweist darauf, dass man schnell in die roten Zahlen rutschen kann.
Vor vier Jahren kam es zu einer schicksalhaften Begegnung mit seinem ehemaligen
Kollegen Anton Lutz. Dieser hatte sich intensiv mit der Abbildung des On-Demand-Fly durch Algorithmen auseinandergesetzt. Bereits damals war aus Studien, unter anderem von russischen Wissenschaftlern, bekannt, dass der von flyvbird angesprochene Markt tatsächlich vorhanden und zudem sehr skalierbar ist. Allerdings: Die meisten Regionalflieger und die benötigte Logistikkette schienen dafür zu teuer.
Lang und Lutz haben Hunderte von Fliegern durchgerechnet und sind schließlich auf den zweimotorigen 9-Sitzer Tecnam P2012 Traveller aus Italien gestoßen. Die Maschine kann auf sehr kurzen Pisten von unter 900 m Länge landen (in einer speziellen Version sind sogar nur 600 m ausreichend), ist allwettertauglich und fliegt in einer maximalen Flughöhe von 10 000 ft (3 050 m). In dieser Höhe kann man noch nach den Regeln des Sichtflugs fliegen (VFR, Visual Flight Rules), was im Vergleich zum regulierten Luftraum oberhalb (gemäß IFR, Instrument Flight Rules) einiges an Geld spart. Die rein operative Kosten für eine derartige Tecnam liegen im günstigen mittleren dreistelligen Euro-Bereich. Und wie es Ryanair auch tut, lassen sich diese Maschinen über Banken für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahre zu attraktiven Konditionen leasen (Operating Lease).
Interessantes weiteres Detail: Das Flugzeug verfügt über eine sogenannte On-Wing-Maintenance. Bei einer größeren Wartung müssen die Triebwerke nicht entfernt werden, was weiteres Geld spart. Außerdem: „Es gibt kein einziehbares Fahrwerk. Die Wartung eines derartigen Fahrwerks wäre viel teuerer als das, was man durch den geringeren Luftwiderstand bei eingezogenem Fahrwerk einsparen würde, zumal wir nur mit 180 Mph Reisegeschwindigkeit fliegen. Außerdem ist ein festes Fahrwerk stabiler, sodass Flughäfen mit Graspisten angeflogen werden können“, sagt der Firmengründer.

Startup-Portrait: Business is in the Air

Tomislav Lang (Bild privat)

Künstliche Intelligenz stets mit von der Partie

Das Team von flyvbird besteht aus Weggefährten aus der Flugbranche, die bereit sind, in diese gute Idee Zeit zu investieren. Es sind zwei Piloten mit von der Partie. Der eine ist ein Ex-Kampfjet-Pilot, der überdrüssig ist, Airbus zu fliegen, sagt der CEO. Der andere ist noch in der Ausbildung, im Rang eines Kadetts. Die Tecnam kann zwar mit nur einem Piloten geflogen werden, es werden aber stets zwei an Bord sein, wie der CEO versichert: Safety first eben. Gerade für junge Piloten sollen Teil des Konzepts sein: Ihnen will flyvbird die Chance bieten, Flugstunden zu sammeln, die anderweitig bezahlt werden müssten.
Der Markt ist groß, daher sind die Pläne ehrgeizig. Binnen einer Dekade sollen weltweit 1 000 bis 1 500 Flugzeuge betrieben werden. Dabei steht immer der Mehrwert für die Kunden im Vordergrund. Und wann ist das der Fall? Tomislav Lang: „Zum Beispiel, wenn der Passagier nicht an der Security anstehen muss, der Flughafen leicht erreichbar ist und er näher an seiner Final Destination landet als mit einer konventionellen Airline.“

Jungfernflug am 5. Mai 2025

Mit Passagieren von Siemens, Airbus Military, ZF wurde der Proof of Concept erfolgreich durchgeführt. Dabei ging es insbesondere darum, die User Experience in einer derart kleinen Maschine zu demonstrieren, was auf Begeisterung stieß. Man hat genügend Bewegungsfreiheit im Flugzeug und es gibt nur eine Sitzreihe links und rechts. Jeder Passagier hat also einen Fenster- und Gangplatz zugleich. Der Blick ins Cockpit ist frei. Auf den Punkt gebracht: flyvbird will nicht mit Kaviar überzeugen, sondern mit Effizienz und Bewegungsfreiheit. Daher verzichtet man auf Service an Bord, aber: „Wir schenken Lebenszeit“, betont der CEO. Am 5. Mai 2025 findet der Jungfernflug mit der italienischen Tecnam statt.

Startup Accelerator move+ als Pate

Sebastian Grimm betreut als Manager des Startup Accelerators move+ flyvbird. Sebastian Grimm hilft bei der Kontaktaufnahme zu Investoren und Partnern. Das sei sehr wichtig, betont Tomislav Lang, der unermüdlich unterwegs ist, um für seine Geschäftsidee zu werben. move+ ist in der Bodenseeregion gut vernetzt. Gemeinsam mit flyvbird lässt sich gewiss die Wirtschaftsregion Friedrichshafen deutlich besser an andere Metropolregionen anbinden als bisher. Wir halten also die Daumen für einen erfolgreichen Jungfernflug. (bv)

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