Einfluss von Plattformen auf Predictive Maintenance

Wenn eine Maschine unerwartet den Dienst quittiert, ist dies nicht nur für den Betreiber ärgerlich, mit den bösen Blicken des Kunden muss der Hersteller erst einmal fertig werden. Ausfallzeiten kosten Geld und Nerven, kein Wunder also, dass viel in die vorausschauende Wartung investiert wird. Mit „Predictive Maintenance“ lassen sich unvorhergesehene Ausfälle vermeiden, Produktionsengpässe reduzieren oder gar ganz ausschließen.
Für die Maschinenbauindustrie in Deutschland ist Predictive Maintenance daher zu einem Kernthema geworden, das sich in die vielfältigen Geschäftsstrategien rund um Industrie 4.0 an vorderster Front einreiht. Auf dem 4. VDMA-Kongress Predictive Maintenance 4.0 am 28. Februar 2018 in Frankfurt/Main werden die Trends anschaulich gemacht und das spannende Thema in Perspektive zu anderen Service-Strategien gesetzt.
So wird Frank Lubnau, Chief Digital Officer Industrial Technology von Robert Bosch (unser Bild), in seiner Keynote der Frage nachgehen, wie sich unter dem Einfluss von Plattformen und Ökosystemen Geschäftsmodelle möglicherweise ändern könnten. Auch für Albrecht Winter, für die Geschäftsentwicklung bei der J. Schmalz GmbH verantwortlich zeichnend, geht es bei seinem Vortrag „Konnektivität und Data Analytics vom Smart Field Device bis zur IoT – Basis für Prozessoptimierung in Produktion und Instandhaltung“ um den Business Impact. Während Martin Brandhuber, Themenverantwortlicher Standard Widerstandsschweißen bei der BMW Group, und Co-Autor Filip Kubis vom Systems Engineering der Festo AG & Co. KG eine Erfolgsgeschichte der vorausschauenden Wartung nachzeichnen.
Übrigens hat der Kongress ein Stück weit bereis Erfolgsgeschichte geschrieben, findet er doch bereits zum vierten Male statt.

Uns ist an der Weiterbildung unsere Leser gelegen, daher verweisen wir an dieser Stelle auf einen bemerkenswerten Vortrag, der sich mit Predictive Maintenance nach dem Stand der Erkenntnis auseinandersetzt und der auch nicht vor dem Terrible-Enfant-Aspekt Kosten Halt machte. Ihn hielt vor zwei Jahren Werner Binsmaier von der Homag AG auf dem 2. VDMA-Kongress Predictive Maintenance. Binsmaier machte damals mit Nachdruck deutlich, wie wichtig es sei, das Kosten-Nutzen-Optimum für den Erhalt einer Maschinenfunktion zu finden: Es liege auf der Hand, dass je länger eine Funktion im Betrieb sei, desto höhere Kosten anfallen, ihren Dienst zu erhalten beziehungsweise wieder herzustellen. Mit anderen Worten, es gilt den richtigen Zeitpunkt für eine Instandhaltungsmaßnahme herauszufinden. Bei wertigen (teuren) Komponenten sei es wichtig, diese möglichst lange zu nutzen, sind die nicht so teuer, können sie aus Gründen der Vorsicht früher ausgetauscht werden. Es ergibt sich ein Spannungsfeld im Anwendungsfeld der vorbeugenden Wartung, weil diese zu einer größeren Anzahl an Wartungsintervallen führten kann, für die natürlich entsprechende Kosten anfallen. Entschädigt wird dies dadurch, dass weniger Reparaturkosten zu Buche schlagen. Soweit die Theorie: „Wenn es gelingt, den Zustand einer Maschine tatsächlich zu messen, besteht die Chance mit einem Kompromiss aus Instandhaltungs- und Wartungskosten ein Minimum zu erreichen und gleichzeitig keinen überraschenden Ausfall zu riskieren“, rechnete Binsmaier vor.

Tacheles reden

Dem Homag-Manager war daran gelegen, die Begriffe sauber zu trennen, weil es oftmals ein Durcheinander dabei gebe, übrigens auch in seinem eigenen Unternehmen. Die sogenannte präventive Instandhaltung unterteilt sich in die „vorausbestimmte“ Instandhaltung – Instandhaltung nach festgelegten Zeitabständen oder Nutzungseinheiten – und die „zustandsorientierte“ Instandhaltung (besser bekannt unter dem Buzz Word Condition Monitoring), die auf einer Zustandsüberwachung basiert. Eine Unterkategorie der zustandsorientierten Instandhaltung ist die „voraussagende“ Instandhaltung. Dabei werden Erkenntnisse der Zustandsüberwachung genutzt, um Prognosen für den noch verbleibenden Abnutzungsvorrat zu ermitteln. „Zum Beispiel kann ein Werkzeug 3000 Teile herstellen und man geht auf Nummer sicher, wenn es ausgetauscht wird. Unter günstigen Voraussetzungen wären aber auch 6000 Teile möglich.“ Tja, wer hat hier Mut zum Risiko?
Predictive Maintenance ist folglich eine voraussagende Wartung, die eine Zustandsbewertung einschließt, um die Ausnutzung einer Funktion (respektive der dafür verantwortlichen Komponenten) zu optimieren.
Für die Bewertung einer „Systemfitness“, wie Binsmaier es nennt, sind Verschleißmodelle notwendig, die allerdings gar nicht so einfach abzuleiten sind. Im Grunde genommen lässt sich die Ableitung der Verschleißmodelle in Form einer Pyramiden (Fuß: Breite der Anwendbarkeit; Spitze: hohe Kosten und Präzision in der Vorhersage) verstehen: erfahrungsbasierte Verfahren sind kostengünstig vielfach anwendbar, je analytischer vorgegangen wird, desto teurer wird es, als Lohn dafür wird die Vorhersagekraft auch höher: In der Analytik geht es los bei Hidden-Markov-Modelle, es folgen Modelle aus neuronalen Netzen / künstlicher Intelligenz, evolutionäre oder Trending Verfahren und schließlich experimentell ermittelte (physikalische) Modelle, die allerdings nur für ganz bestimmte Anwendungsfälle, dann aber sehr treffsicher einsetzbar sind.
Binsmaier wusste, nur ein Beispiel könnte helfen, seine inhaltlich anspruchsvolle Argumentationskette dem Auditorium schmackhaft zu machen, zumal der wichtige Agendapunkt „Lunch und Networking“ unaufhaltsam näher rückte. Eine Druckbalkensäge übernahm diese Aufgabe: Aus Beobachtung weiß man, dass die Zeiten zwischen den Druckbalken oben und unten beim Spannen und Lösen länger werden, je nach Verschleiß der Balkenführungen. Ein Verschleißmodell lässt sich aus der Zeitmessung mit Grenzwerten aus Versuchen ableiten, wobei das Nutzungsverhalten berücksichtigt werden muss. Die Prognose ergibt sich aus Extrapolation der Messungen bis zum Grenzwert, weil der Verschleiß kontinuierlich stattfindet, ohne Sprünge). Der Maschinenbetreiber wird per Signal gewarnt, wenn der Grenzwert überschritten wird.
Es werden also Verschleißmodelle benötigt, die zuverlässige Zustandsaussagen über die verwendeten Funktionen ermöglichen. Die Signale von der Maschine müssen hierzu erfasst und verstanden werden.
Aus den Trendkurven lassen sich dann Prognosen ableiten. Binsmaier betonte, dass für ein Fitnessprogramm es nicht unbedingt notwendig sei, zusätzliche Sensorik in die Maschine zu implementieren. Meist ist ja bereits sehr viel Sensorik verbaut, so dass sich Drücke, Temperaturen, Durchflüsse, Ströme und Zeiten messen lassen. Diese bereits vorhanden Sensorik kann möglicherweise für den Aufbau eines Verschleißmodells genutzt werden und es reicht aus, nur noch Referenzmessungen durchzuführen, oder die Daten einfach nur geschickt aufzubereiten.
Übrigens ist für Homag-Mitarbeiter ein Regler bereits ein smarter Sensor, denn dieser liefert eine Fülle von Informationen, die dienlich sein können. Aber: „Messtechnik ist nichts einfaches. Man muss sich damit beschäftigen. Wer viel misst, misst möglicherweise auch M…“, warnt der Experte.

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