Krawatten und Hoodies – Corporates in der digitalen Transformation bisher nur bedingt im Startup-Modus

Prof. Dr. Julian Kawohl und Tom Tempel von der HTW Berlin sowie Dr. Shamim Rafat, Gründer und Geschäftsführer der Berliner Innovationsberatung zero360, haben in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband) hochrangige Entscheider deutscher Konzerne zur Umsetzung der digitalen Transformation befragt. Die Studie „Corporates in der digitalen Transformation“ klärt auf, inwieweit Konzerne die Tools, Methoden und Herangehensweisen von Startups anwenden. Trotz des von Konzernvorständen angekündigten Wandels zu mehr Startup-Agilität sind der Studie zufolge etablierte Unternehmen immer noch weit von ihren Vorbildern entfernt. Kernerkenntnisse sind unter anderem:

Kulturindikator „Krawattenindex“: Während das Tragen von Business-Outfits in Büros insgesamt deutlich abnimmt, herrscht dieser Dresscode bei etablierten Industrieunternehmen in weiten Teilen weiterhin vor. Am ehesten haben Unternehmen der IT-, Medien- und Telekommunikationsindustrie einen Startup-Dresscode übernommen.

Traditionelle Unternehmenskultur: Der persönliche Umgang ist bei etablierten Unternehmen nach wie vor eher förmlich, klare Hierarchien bestimmen die Entscheidungsstruktur und bei der Kommunikation werden überwiegend klassische Technologien wie E-Mail und Telefon eingesetzt. Moderne Tools wie Messenger oder Slack haben das Nachsehen. Bestehende Unternehmenskulturen fördern die Abgrenzung gegenüber anderen Abteilungen (Silodenken) und lassen wenig Raum für Agilität.

Inspiration Startupszene: Branchenübergreifend zieht es die Vorstände der etablierten Unternehmen für Learning Journeys primär nach Berlin, um die Startup- und Innovationsszene besser kennen zu lernen. Das Silicon Valley steht an zweiter Stelle.

Startup-Herangehensweisen: Design Thinking ist der insgesamt beliebteste methodische Ansatz bei den Corporates. Unternehmen der IT-, Medien- und Telekommunikationsindustrie nutzen insgesamt deutlich mehr Startup-Methoden als Vertreter anderer Branchen.

Chief Digital Officer: Bisher verfügt nur ein knappes Drittel der etablierten Unternehmen über einen Chief Digital Officer. Über ein Drittel plant jedoch die Einführung einer solchen Position. Ein Viertel der Befragten sieht hierfür keinen Bedarf.

Prof. Dr. Julian Kawohl, Professor für Strategisches Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin: „Viele Konzerne befinden sich nach Ankündigung ihrer Vorstände derzeit auf dem Transformationspfad und wollen zu agilen Organisationen werden. Dabei nehmen sie sich häufig die Startupszene als Vorbild. Wir wollten deshalb von den Corporate Managern wissen, wo sie sich auf ihrem Weg befinden und wie „startuplike“ die etablierten Unternehmen bereits sind. Für uns war es schon überraschend, dass sowohl bezüglich Oberflächlichkeiten wie den Dresscode bis hin zur Unternehmenskultur noch recht wenig passiert ist und traditionelle Einstellungen bisher noch immer dominieren. Das ist dann doch ziemlich konträr zu dem Bild, welches z.B. CEO’s wie Dieter Zetsche vermitteln, wenn sie in der Öffentlichkeit mit Sneaker und ohne Krawatte auftreten oder eine Duz-Kultur wie bei Otto einführen.“

Dr. Shamim Rafat, Gründer und Geschäftsführer der Innovationsberatung zero360: „Der Wunsch nach mehr Agilität ist inzwischen ein roter Faden, der sich von kleinen Betrieben über den Mittelstand bis zu den großen Corporates zieht. Es ist interessant zu beobachten, welche Branchen sich bei diesem teils tiefgreifenden kulturellen Wandel schwerer tun und in welchen Branchen neue Ansätze schneller aufgenommen und umgesetzt werden. Aus unserer Sicht gibt es dabei keine allgemeingültige Lösung. Wichtig ist zu verstehen, dass die Herausforderungen der digitalen Transformation nicht mit Insellösungen angegangen werden können. Es geht darum, Organisationen schrittweise aber letzten Endes insgesamt mit auf die Reise zu nehmen. Der Blick auf Methoden, Prozesse und Strukturen, die Startups bei Innovation, schnellen Entscheidungen und Wachstum helfen, ist für Corporates ein richtiger und wichtiger Baustein auf diesem Weg. Unsere Studie zeigt aber auch, dass es auf diesem Weg noch einiges zu tun gibt.

Florian Nöll, Vorsitzender des Startup-Verbandes: „Startups sind agil und schnell und damit sehr erfolgreich. Das haben auch die meisten Corporates mitbekommen. Immer mehr etablierte Unternehmen und Konzerne schauen sich die Prozesse, Strukturen und Methoden von Startups an. Aber es scheint hier verschiedene Geschwindigkeiten zu geben. Während Unternehmen der Informations-, Medien- und Telekommunikationsindustrie kulturell Startups sehr ähnlich sind, herrscht vor allem in Banken und Versicherungen noch eher ein traditionelles Verständnis von Organisation. Die Studie identifiziert die die wichtigsten Erfolgsfaktoren und größten Hindernisse für die unternehmensinterne digitale Transformation. Ob zu viele Hierarchieebenen oder fehlender Support durch den CEO. Unsere Konzerne und unser Mittelstand müssen sich in vielen Bereichen grundlegend verändern. Wir helfen gerne dabei Startups und etablierte Wirtschaft miteinander zu vernetzen und in einen Austausch zu bringen, damit sie voneinander lernen können.“

Hier können Sie sich die komplette Studie herunterladen.

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