Steigende Teilnehmerzahlen, sinkender Absatz


NOVI, MI/USA, Anfang Juni (GG). Der Preis für Erdöl ist 2015 deutlich gesunken, nicht zuletzt, weil die USA wieder zum Exporteur geworden sind und weltweit ein Überangebot besteht. Ob es bei dieser komfortablen Situation bleibt, sei dahingestellt, doch sie beeinflusst in jedem Fall die Diskussion um den Antrieb der Zukunft. Das zeigte auch der US-amerikanische Ableger des CTI Symposiums: Mehr als noch im vergangenen Jahr wurde diskutiert, wie viel und welche Spartechnik sinnvoll ist, um Flottenverbrauchsziele wie CAFE möglichst effektiv erreichen zu können.
Chairman Ernie J. DeVincent, VP Product Development bei Getrag, begrüßte die diesjährigen Teilnehmer. Der Veranstaltungsort mit angeschlossenem Hotel bot genug Platz für das abermals gewachsene Symposium. 520 Teilnehmer waren diesmal gekommen, eine Steigerung von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Über die acht Plenarvorträge hinaus konnten sie 63 technische Präsentationen verfolgen und 41 Aussteller besuchen. Mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 verzeichnet das nordamerikanische CTI Symposium seit 2007 ein kontinuierliches Wachstum und hat sich als zentrale Diskussionsplattform amerikanischer und internationaler Getriebe- und Antriebsstrangentwickler etabliert.
Getrag-COO John McDonald machte im Eröffnungsvortrag zum Symposium deutlich, dass es keinen Grund gebe, sich angesichts gesunkener Ölpreise zurückzulehnen. Ausgehend von der heutigen Weltbevölkerung würden die Ölreserven kaum mehr als 50 Jahre ausreichen, wie Zahlen von BP nahelegen. Eine stark wachsende Weltbevölkerung und weitere Variablen könnten diese Frist sogar verkürzen. Getriebeentwickler sind aber nicht nur mit volatilen Ressourcen und daraus folgend Forderungen nach Senkung der Flottenverbräuche konfrontiert. Sie müssen preisgünstige Lösungen in einem globalisierten Markt mit unterschiedlichen Kundenanforderungen anbieten. Der „Getrag Approach“ zur Lösung dieses Zielkonflikts bestehe laut McDonald in einer Getriebetechnologie, die Skalierbarkeit und Flexibilität mit einem hohen Maße an Modularität und Kommunalität verbindet. Die dritte Generation der Getrag-Doppelkupplungsgetriebe (DKG) sei dank bedarfsgeregelter Aktuierung und Kupplungskühlung sowie der grundlegenden Wirkungsgradvorteile von Vorgelegegetrieben derzeit die effizienteste Form der Automatisierung, etwa 5 bis 6 Prozent günstiger als ein aktueller Wandlerautomat mit neun Gängen. Dieser DKG-Typ sei zudem bis hin zum Plug-in Hybrid mit hohem Gleichteileanteil skalierbar, sodass der Getriebehersteller eine zukunftssichere, effiziente und maßgeschneiderte Getriebelösungen anbieten könne.

 


Mike Harpster, Director Propulsion Systems Research Lab bei General Motors, beschrieb den Blick eines OEMs auf die Anforderungen an den Antriebsstrang bis 2020 und darüber hinaus. Die wirkliche Herausforderung sei es, so Harpster, die CAFE-Anforderungen für 2025 zu erfüllen, ohne dass das Fahrgefühl darunter leidet. Er glaubt, dass es „das richtige Getriebe für das richtige Fahrzeug“ gibt und somit grundlegende unterschiedliche Lösungen sinnvoll sein könnten. So könne zum Beispiel unter bestimmten Voraussetzungen das CVT trotz geringeren Wirkungsgrads sparsamer sein als Getriebe mit festen Gangstufen. Bei den in Nordamerika weiter beliebten Wandlerautomaten setzt GM auf 9 bis 10 Gänge und eine Kooperation mit Ford, um ein effizientes und komfortables Getriebe kostengünstig umsetzen zu können. Einen nochmals anderen Weg geht GM bei der zweiten Generation des Chevrolet Volt. Sein überarbeiteter Range-Extender-Antrieb bietet zwei elektrische Fahrmodi und drei Range-Extender-Modi. Als Getriebe fungiert ein Planetenradsatz, der die Leistung des Verbrennungsmotors und zweier E-Maschinen verwaltet. Angesichts der fortgeschrittenen Hybridtechnik überraschte Harpsters Aussage, dass konventionelle Antriebe sich beim Verbrauch dem Hybrid annähern werden. Die Rolle des Getriebes als „Transformer“ würde dabei eher kleiner. In jedem Fall muss es Teil eines Gesamtsystems gesehen werden, zumal bei der rapide zunehmenden Bedeutung von Fahrzeugelektronik – bis hin zu Car-to-X-Kommunikation und automatisiertem Fahren.
Don Hillebrand, Direktor am Argonne Center for Transportation Research, ist als Vertreter einer Umweltbehörde mit der Aufgabe konfrontiert, das Flottenverbrauchsziel von 54,5 mpg für 2025 voranzutreiben, ohne Industrie und Autofahrer zu sehr zu belasten – fast schon ein Dilemma. Eine Möglichkeit wäre eine höhere Kraftfahrzeugsteuer wie „überall sonst auf der Welt“, was aber in den USA kaum durchzusetzen sei. Die Clinton-Administration habe es versucht und 1994 den Kongress nach 40 Jahren an die Republikaner verloren. Steuern zu erhöhen sei geradezu politischer Selbstmord. Die US-Methode bestehe deswegen darin, die Flottenverbrauchziele nach CAFE („Corporate Average Fuel Economy“) für den Hersteller von Jahr zu Jahr zu verschärfen, bis eben hin zu 54,5 mpg im Jahr 2025, aber sinnvolle technische Methoden zur Verbrauchsreduzierung auch zu belohnen. Hillebrand stellte fest, dass die Technologien dafür vorhanden sind – die Frage sei nur, zu welchen Kosten. Die schönste Spartechnologie nützte schließlich nichts, wenn sie kaum jemand kauft. Den „US Approach“ könnte man kurz so beschreiben: kontinuierliche Verschärfung der Flottenverbrauchsziele in Verbindung mit intensiver Erforschung effizientesten Spartechnologien, um die Kosten zu senken.

Der Weg des geringen Widerstands

Philip A. George, Director Advanced Development bei Schaeffler, brachte zum Beginn seines Vortrags das derzeitige Dilemma aller Fahrzeugentwickler auf den Punkt: Die Emissionsstandards werden immer strenger, Kraftstoff ist billig und der Autofahrer erwartet zu allem Überfluss Komfort, nicht karg ausgestattete Sparmobile. Es gebe zwar einen riesigen Baukasten an verfügbarer Technologien, aber man könne sie nicht einfach aufaddieren, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Er illustrierte es so: 1+1+1 ist in der Realität oft kleiner als 3 oder sogar kleiner als 2. Die Lösung besteht aus Sicht von George in einem systemischen Ansatz und zwei Kernaufgaben: weitere Verbesserung mechanischer Komponenten und darauf aufbauend eine kostengünstige Niedrigvolt-Elektrifizierung. Eine zentrale Aufgabe besteht demnach zunächst darin, Reibung zu reduzieren oder sogar völlig zu eliminieren. Allein diese mechanischen Maßnahmen würden bei einem Referenzfahrzeug mit 4,2 m2 Aufstandsfläche (nach CAFE-Regeln ein mittelgroßes Fahrzeug) bereits eine Verbesserung von etwa 24 auf 29 mpg erbringen. Als Beispiel für ein Hybridisierung-Konzept stellte George das sogenannte TDA-Konzept vor (Transmission Driven Accessories), das eine Boosting-Funktion bietet, sowie die Fähigkeit, Nebenaggregate im Betrieb vom Antriebsstrang zu trennen, um Schleppverluste zu vermeiden.

2500 Jahre Planetengetriebe


Charles Gray, Director Transmissions and Driveline Engineering bei Ford, gab einen interessanten Einblick in die Geschichte des Planetengetriebes: Die Idee dazu hätten bereits die Griechen 500 vor Christus entwickelt, die erste Anwendung bei Ford ließ dann allerdings bis 1908 auf sich warten: ein Zweigang-Getriebe im Ford-T-Modell. Seitdem hat sich die Technik ständig weiterentwickelt. Vorläufige Höhepunkte aus Ford-Perspektive sind die Patentanmeldung für einen 11-Gang-Automaten 2015 sowie die Einführung des gemeinsam mit GM entwickelten 10-Gang-Automaten im Jahr 2017. Wesentliche Verbesserungen in der Gegenwart und Zukunft sieht Gray bei den Produktionsmethoden: Dazu gehören die Verzahnungsoptimierung, um Haltbarkeit und NVH zu verbessern, Hartbearbeitung nur für NVH-kritische Zahnräder und nochmals verbesserte Fertigungsmethoden, aber auch moderne Wandler-Torsionsdämpfer und geringere Schleppverluste der Kupplungen. Gray zitierte auch das Mooresche Gesetz, nach dem sich die Anzahl von Transistoren auf einer integrierten Schaltung alle zwei Jahre verdoppelt. Deswegen ließen sich heute zehn oder elf Gänge beherrschen, was früher kaum vorstellbar gewesen sei. Da passte der Vortragstitel: „Can we make it?“ Und Grays Antwort darauf lautete: „Schauen Sie, wie weit wir gekommen sind … zusammen können wir noch mehr“.
Hiroyuki Kai, President von Jatco Mexico, verwies zunächst auf den weltweiten Trend, dass bis 2020 CVTs ebenso wie DKGs ein überproportionales Wachstum im Markt der „2-Pedal“-Getriebe haben werden. Bis 2030 würden zudem 85 Prozent aller Fahrzeuge von einem Verbrennungsmotor angetrieben, wenn auch vermehrt als Teil eines Hybridantriebs, 2050 immerhin noch gut die Hälfte. Jatcos Antwort darauf ist ein einfach aufgebautes CVT, das mit geringem Aufwand hybridisierbar ist – bei einem Gleichteileanteil von gut 70 Prozent. Kai ging darüber hinaus auf die funktionale Flexibilität des CVTs ein. Einerseits sei es eine ideale Ergänzung für das automatisierte und autonome Fahren, weil sich die stufenlose Anpassung auf die optimalen Betriebspunkte des Motors besonders angenehm für den Fahrer gestalten lasse. Andererseits bedient Jatco auch Kunden, die gestufte Schaltvorgänge schätzen, die Funktion ist als heute „D-Step“ in mehreren Nissan-Modellen in Serie. Wie Gray vor ihm zeigte Kai, welches Potenzial noch in der Optimierung von Fertigungsprozessen steckt. Dazu gehören die ständigen Synchronisierung von Fertigung und Kundenwünschen, schlankere Fertigungskonzepte und verbesserte Fertigungsmethoden wie das Kugelstrahlen der Kegelscheiben, um mit dem CVT noch höhere Drehmomente beherrschen zu können.

Turbine als Range Extender


Ian Wright begann seine Karriere als Rundfunkingenieur in Neuseeland, war Mitbegründer von Tesla Motors und ist heute CEO von Wrightspeed. Sein spannendes und ungewöhnliches Thema lautete: Ein Range-Extender-Antrieb für Nutzfahrzeuge, bei dem eine Gasturbine für die Stromerzeugung eingesetzt wird. Ihr nachgeschaltet sind zwei Elektromotoren mit jeweils zwei Gängen, um Hochdrehzahl-E-Maschinen einsetzten zu können, dazwischen ein 200-kW-Inverter, den Wright als „CVT“ bezeichnete. Warum diese Analogie? Weil es ebenso wie dieses einen stufenlosen Einsatz der Leistung erlaube, allerdings ohne Kupplungen, Wandler, Synchronisierungen oder Differentiale. Die stufenlose Regelung erfolgt laut Wright einzig durch die Regelung der Motorfrequenz. Und warum eine Turbine statt eines Verbrennungsmotors? Eine Gasturbine erlaube nur bei Volllast einen guten Wirkungsgrad, was in einer Range-Extender-Konfiguration jedoch jederzeit möglich sei. Sie sei deutlich kleiner als ein Motor, sehr zuverlässig, brauche kaum Wartung und benötige anders als der Dieselmotor praktisch keine Abgasnachbehandlung. Tatsächlich sei der erzeugte Strom sauberer als der von Kraftwerken gelieferte US-Strommix. Im Vergleich zu einem Diesel-Truck nennt Wright folgende beeindruckenden Einsparungen und Verbesserungen: -93 Prozent Partikel, -82 Prozent NOx, -69 Prozent HC, -69 Prozent CO2 – und deutlich weniger Lärm.
Etwas näher an gewohnten Konzepten, aber dennoch bewusst provokativ war der Vortrag „Roadmap to autonomous driving“ von Ali Maleki, VP Business Development bei Ricardo North America. Seine Statements waren ebenso plakativ: „2050 werden alle Fahrzeuge autonom fahren“ und „die Mehrheit der Fahrzeuge werden Teile eines Sharing-Konzepts sein“. Maleki zeigte zunächst auf, wie die Stufen des Autonomen Fahrens heute klassifiziert werden. So gibt es nach SAE J3016 heute folgende Stufen: 0 = no automation, 1 = driver assistance, 2 = partial automation, 3 = conditional automation, 4 = high automation und 5 = full automation. Maleki glaubt, dass sich 95 Prozent aller Fahraufgaben mit konventionellen Algorithmen beherrschen lassen, für die verbleibenden 5 Prozent bräuchte man heuristische Algorithmen, also im Grunde die Fähigkeit, auf Grundlage verfügbarer Informationen mutmaßen und entscheiden zu können. Dies und die Sorge um Datensicherheit sind derzeit die zwei kritischsten Punkte bei der öffentlichen Bewertung des Autonomen Fahrens. Doch Maleki zeigte sich optimistisch. Unsicherheiten dieser Art habe es auch in den Anfängen der Motorisierung gegeben: „Wir waren schon einmal an diesem Punkt und werden es wieder lösen“. Die notwendige Sensorik sei im Übrigen vorhanden, so Maleki, eine größere Herausforderung indes sei die Definition funktionaler Module, um zu viel Komplexität zu vermeiden. Maleki erwartet, dass integrierte Steuerungsmodule in Software entstehen werden, die in einem Application Framework zusammengefasst werden und auf dem Betriebssystem sowie einem Hardware-nahen Layer entsprechend ASIL (Automotive Safety Integrity Level) fußen werden. Die größte Herausforderung ist demnach eine andere: Wie wird die Industrie damit umgehen, wenn der US-Absatz von Autos in den nächsten 25 Jahren um 40 Prozent sinkt?

Mehr zu Trends in der Automobilindustrie in der kommenden Ausgabe 5/2015 von ECONOMIC ENGINEERING im Branchenspecial „Mobilitätsindustrie“.

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