d1g1tale Geschäftsmodelle und online-Plattformen

Nichts wird beim Alten bleiben, denn der digitale Wandel beschleunigt sich – und zwar exponentiell: Schneller, höher, weiter. Aber wohin?

Von JIVKA OVTCHAROVA

Zentrale Treiber der Marktveränderungen, denen die produzierenden Unternehmen ausgesetzt sind, werden vor allem in den veränderten Kundenerwartungen, neuen Regulierungen sowie neuen Wettbewerbern gesehen. Dabei ist das Vordrängen junger, meist branchenfremder Unternehmen, die mit bahnbrechenden und oft kostengünstigen Technologien einen angestammten Markt angreifen, typisch.

Entscheidend bei der Digitalisierung sind die flächendeckende Vernetzung und Kommunikation, die das Verhältnis von Anbietern und Kunden grundsätzlich verändern. Kamen früher die Kunden zu den Anbietern, müssen sich heute die Anbieter bewegen und dort sein, wo die Interessenten sind, unabhängig davon ab, wo diese sich befinden. Kunden erwarten, dass überall dort, wo sie ein Angebot nutzen möchten, dieses auch präsent ist. Das wiederum bedeutet für die Anbieter, in den verschiedenen Nutzungskontexten aktiv zu sein und das individuelle Nutzungsverhalten deren Kunden möglichst genau zu kennen. Die Kernkompetenz eines Anbieters hat in dienstleistungsdominierten Branchen bereits heute einen geringeren Stellenwert als die Kenntnis des Nutzungsverhaltens der Kunden. Diese Marktkenntnis ist nur durch die kontinuierliche Verwertung digitaler Kundendaten zu erreichen. Nach dem Motto „Wer die Daten hat, hat die Macht“ geht es bei der Digitalisierung im Tagesgeschäft ums Überleben und kein Unternehmen kann es sich mehr leisten, die Vertrautheit mit seinen Kunden anderen Marktteilnehmern zu überlassen.

Plattformen und ihr disruptives Wesen

In jedem halbwegs fundierten Gespräch über Digitalisierung taucht der Begriff „Plattform“ auf. Und ein Blick auf die globale Wirtschaft bestätigt die immense Bedeutung von Plattformen als disruptiver Geschäftsfaktor. The Hälfte der 20 wertvollsten Unternehmen der Welt basieren auf Plattform-Modellen. Dabei ist das Geschäftskonzept denkbar simpel: Plattformen schaffen zweiseitige Märkte und Werte schaffende Interaktionen zwischen Anbietern und Kunden. Diese Interaktionen werden mithilfe digitaler Techniken (zum Beispiel Apps) realisiert, die allen Beteiligten einen ungehinderten Zugang zur Plattform und auch großen Nutzergruppen ein Matchmaking ermöglichen.

Digitale Plattformen sind weiterhin die entscheidende Grundlage für eine rasche Ausweitung und Steigerung der typischen für das Internet positiven Netzwerk- oder Skaleneffekte auf der Nachfrageseite: Je mehr Nutzer eine Plattform konsultieren, desto mehr Daten lassen sich erheben, vernetzen und für immer passgenauere Kundenbeziehungen verwenden. Gleichzeitig lassen sich mit jedem einzelnen Dienst Umsätze generieren. Somit besteht die wirtschaftliche Besonderheit von digitalen Plattformen in der systematischen Erfassung und Auswertung von Nutzerdaten. Deshalb bauen immer größere Teile der Wirtschaft klassische „Pipeline-Märkte“ zu digitalen „Plattform-Märkten“ um. Aufgrund der zusätzlich wirkenden Netzwerkeffekte sind Plattformen Pipelines grundsätzlich überlegen.

Plattformen ziehen immer größere Teile der Wertschöpfung an sich, wachsen aufgrund des Verzichts auf interne physische Ressourcen schneller und erzielen in der Regel höhere Gewinnmargen als Pipeline-Märkte.

Dabei ist die Sichtbarkeit und Erreichbarkeit von Unternehmen im Internet wird immer wichtiger. Der Webauftritt nimmt Einfluss auf die verschiedensten Bereiche der Unternehmen. Die eigene Darstellung in sozialen Netzwerken ist für das B2B- oder B2C-Business bis zur Gewinnung neuer qualifizierter Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Nur durch „Allgegenwart“ ist eine Marke aufzubauen.

Auch wenn die Deutschen noch zurückhalten sind und das Disruptionsrisiko scheuen: Plattformen als Marktplatz sind bereits da und haben eine Dynamik entwickelt, die nicht mehr ignoriert werden kann.

Angesichts der beeindruckenden Zahlen der digitalen Welt-Plattformen ist die Frage berechtigt, ob beim Kampf der Giganten ein neues Netzwerk überhaupt noch eine Chance hat. Dass die Antwort „Ja“ lautet, ergibt sich nicht nur durch einen Blick in die Vergangenheit, sondern auch durch aktuelle Erfolgsgeschichten wie die von Instagram, das heute bereits mehr als 100 Millionen Nutzer hat. Das Zauberwort lautet hier: Nische, sich also auf eine Sache zu konzentrieren und darin richtig gut werden. Dabei spielt die Wahl des geeigneten Geschäftsmodells die entscheidende Rolle. Aber was bedeutet der Begriff „Geschäftsmodell“ unter dem Eindruck der digitalen Transformation?

Traditionelle Geschäftsmodelle

Die Zielsetzung eines Geschäftsmodells ist die Transformation von Wissen in allgemein anwendbare Regelwerke. Somit stellt ein Geschäftsmodell eine „Mental Map“ dar, eine kognitive Landkarte einer Geschäftslogik, basierend auf eindeutigen Handlungsvorschriften (Algorithmen). Die typische Vorgehensweise läuft generell in zwei Schritten ab: Erstens, sobald ein Regelwerk als erfolgreich angesehen wird, stimmen immer mehr andere Unternehmen in diesen Prozess ein und übernehmen das zugrunde liegende Regelwerk. Zweitens, wenn sich feste Regeln gebildet haben, entsteht eine allgemein akzeptierte Modellarchitektur in Bezug auf Wertschaffung, Leistung, Distribution und Erlöse.

So basierte die Wertschaffung in der Zeitungsbranche auf der Erwerb von Inhalten für Kundensegmente und Produktion von haptischen Print-Erzeugnissen mit einem Erlösmodell als Mischung aus Vermarktung von Werbefläche und direkten Verkauf von Druckschriften an Leser. Dieses Geschäftsmodell galt für alle Zeitungen, egal ob regional oder überregional, ob themenorientiert oder thematisch breitgefächert. Durch Google wurde dies bis in seine Grundfesten erschüttert.

Auch das Geschäftsmodell von Taxizentralen war lange Zeit stabil und für alle Taxizentralen gleich. Die Vermittlung zwischen Kunden und Taxifahrern erfolgte über eine Telefon-Hotline und Funkzentrale, die die Kommunikation zwischen Taxifahrern und Fahrgästen koordinierte und für ein möglichst optimales Matching (Algorithmus) von Angebot und Nachfrage sorgte. Die Erlöse basieren auf die Erzielung von monatlichen Gebühren von Taxifahrern. Das Arbeitsprinzip kann als „off-line“ oder „asynchron“ gekennzeichnet werden.

Digitale Geschäftsmodelle

Sie basieren auf der Umsetzung der Handlungsvorschriften (Algorithmen) mit Internet-Software und haben das Ziel, Aufgaben „on-line“, eigenständig und lernfähig zu lösen. So stellt dieser Geschäftsmodelltyp eine „Code Map“ dar, eine Software-Landkarte der Geschäftslogik, die durch (vorwiegend) internetbasierte Algorithmen autonom-, vernetzungs- und echtzeitfähig wird. Zwei Kerneigenschaften sind dabei besonders zu betonen: Durch „Divide and Conquer“ erfolgt die Problemaufteilung in ausführbare Anwendungsprogramme (Apps). Und durch „Shared Economy“ entsteht ein hybrides Marktmodell für gemeinsame Nutzung begrenzter physischer Ressourcen bei dem Einsatz digitaler Plattformen.

MyTaxi bildet das Geschäftsmodell der Taxizentralen durch vernetzte Software-Anwendungen auf offen zugänglichen Plattformen ab. Der eigentliche Wert des Angebots von MyTaxi entsteht durch die vollständige Übernahme und autonome Ausführung der Aufgaben der konventionellen Taxizentralen. Dabei führen nicht Mitarbeiter das Regelwerk aus, sondern ein Software-Programm. Taxifahrer und Fahrgäste haben direkten Zugang zu den Algorithmen durch  Smartphone-Apps nach einem „on-line“ (synchronen) Arbeitsprinzip.

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