Chatbots hin oder her: der menschliche Aspekt bleibt

FÜRSTENFELDBRUCK, Ende Juni. Produktempfehlungen in Online-Shops, Gesichtserkennung bei Facebook, Sprachassistenten wie Alexa und Siri – in unserem digitalen Alltag begegnen wir immer häufiger Künstlicher Intelligenz, Computersystemen also, die kognitive Tätigkeiten ausführen, von denen wir bisher dachten, dass nur Menschen dazu fähig sind. Dabei lösen KI-Technologien diese Aufgaben meist besser und schneller als der Mensch, weshalb sie Unternehmen viele Chancen bieten. „KI hilft, große Datenmengen besser zu nutzen, Kunden personalisierter anzusprechen, Prozesse zu automatisieren, Feedback in Echtzeit auszuwerten und schneller zu agieren,“ sagte Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in seinem Impulsvortrag beim diesjährigen Tag der Industriekommunikation.

Bei der Veranstaltung des BVIK skizzierten Trendforscher, Wissenschaftler und Experten aus der Praxis die Megatrends im Marketing. Unter dem Motto „B2B-Marketing der Zukunft: virtuell – künstlich – menschlich“ ging es dabei nicht nur um Künstliche Intelligenz, sondern auch darum, wie sich Unternehmen auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten können, welche Erkenntnisse der Hirnforschung für das Marketing nützlich sind und in welchem Zusammenhang die Digitalisierung mit globalen Problemen wie Migration und Klimawandel steht.

Superhelden des digitalen Wandels

Den Sprung in die schöne neue Welt der Digitalisierung schaffen nur „Superhelden“, behauptete Marketing-Visionär Dietmar Dahmen (unser Bild) in seiner Keynote und lieferte gleich Hinweise, wie man zu einem solchen Hauptdarstelle werden könne: „Handeln Sie entschlossen, lassen Sie sich auch von Widerständen nicht entmutigen, und geben Sie alte Gewohnheiten auf, damit das Neue gelebt werden kann.“ Auch Salima Douven, die bei Henkel im Bereich Digital Strategy & Operations an der Digitalen Transformation des Konzerns arbeitet, riet den Teilnehmern, nicht lange zu zögern: „Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Was den digitalen Wandel aber erleichtert, sind Agilität, Offenheit und Schnelligkeit im täglichen Arbeiten.“ Erik Snoeijen, Director Corporate Marketing bei Bosch Rexroth, ergänzte, dass sich auch Traditionsmarken neu aufstellen müssten und formulierte provokant die These: „Wer sich nicht verändert, verliert.“

Killerapplikationen fürs Marketing: VR, AR, Chatbots & Co.

Wie Marketingentscheider von KI-Technologien profitieren, zeigte Sven Krüger, Chief Marketing Officer von T-Systems International, und nannte mit Programmatic Ads, Textgeneratoren und Marketing-Automation-Tools einige Bereiche, wo KI bereits heute im Einsatz ist. Das größte Potenzial sieht Krüger in Sprachassistenten und Chatbots: „Chatbots sind die Killerapplikation für Marketing und Customer-Service. Schließlich ist jedes Geschäft immer auch ein Dialog. Chatbots bieten die Möglichkeit, diesen Dialog strategisch zu nutzen und den Kunden wirklich in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen.“ Krüger ist überzeugt, dass in Zukunft jede Interaktion mit einem virtuellen Agenten beginnen wird.

Alissia Quaintance, Expertin für digitale Innovation und Gründerin von IQ Gemini, stellte dem VR- und AR-Anwendungen gegenüber, die es ermöglichen, Menschen nicht nur auf kognitiver Ebene, sondern über Emotionen anzusprechen: „Mit Hilfe von VR- und AR-Anwendungen können Nutzer Produkte über die Sinne erleben. Dadurch prägen sich beispielsweise Produktfunktionen besser ein.“ VR-Anwendungen dürften aber den Nutzer nicht mit Informationen oder Sprachbefehlen überladen. „Es geht darum, dass Spielerische und Unterbewusste zu fördern und so Lust zu machen auf die Realität.“

„In der digitalen Welt verändert sich alles sehr schnell: Produkte, Prozesse, die Art wie wir arbeiten und kommunizieren. Was sich nicht verändert, ist das menschliche Gehirn mit seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten.“ Darauf wies Hans-Georg Häusel, promovierter Vordenker im Neuromarketing und einer der führenden Hirnforschungsexperten, in seinem Impulsvortrag hin. Häusel erklärte, dass 70 bis 80 Prozent aller Entscheidungen unbewusst auf Basis von Emotionen und Werten getroffen würden. Das sollten Marketiers bedenken, wenn sie ihre Kunden analog und digital begeistern wollten. Häusel appellierte, den menschlichen Aspekt nicht zu vernachlässigen: „Die wenigen Kontakte, die wir mit Kunden haben, sollten wir möglichst intensiv und emotional gestalten – nicht nur digital. Kämpfen Sie um die verbleibenden persönlichen Kontakte!“

Zum Abschluss der Konferenz ließ Franz-Josef Radermacher, Professor für Datenbanken und Künstliche Intelligenz an der Universität Ulm, auch kritische Töne in Bezug auf die Digitalisierung anklingen: „Ich warne davor, sich in Panik versetzen zu lassen, wenn alle sagen: ‚Wir müssen schnell digitalisieren, sonst gibt es uns bald nicht mehr.‘ Die Digitalisierung eröffnet viele Chancen. Aber man sollte auch nicht zu viel Hoffnung in sie setzen.“

Die Vorträge spannten einen großen Bogen über die Trends und Themen der Zukunft und zeigten, dass in einer zunehmend digitalen Welt dem menschlichen Faktor nach wie vor große Bedeutung zukommt – sowohl in der Ansprache des Kunden als auch in der internen Zusammenarbeit: „Wenn kognitive Prozesse zunehmend von Maschinen übernommen werden, kommt es in der Zusammenarbeit auf die emotionalen und menschlichen Aspekte an“, resümierte Alissia Quaintance treffend.

Hinweis der Redaktion: In der kommenden Ausgabe 3/2018 von d1g1tal AGENDA (Erscheinungstermin 14. September) berichten wir ausführlich über Augmented Reality im industriellen Umfeld und die Möglichkeit der Steigerung des sogenannten Cognitive Load.

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