KI: Wirtschaftliche Jahrhundertchance

„Ignoranz, Ratlosigkeit und Zukunftsangst bei künstlicher Intelligenz“, so beschrieb Chris Nadine Kranzinger, Data Analytics & Strategy bei QuantCo und Gründungsmitglied des Bundesverbands Künstliche Intelligenz, die aktuelle Situation in den Führungsetagen vieler mittelständischer Unternehmen auf dem Digitalgipfel 2019 des Landes Baden-Württemberg. Demgegenüber stand die Meinung von Prof. Jürgen Schmidhuber, Wissenschaftlicher Direktor des Schweizer KI-Forschungsinstituts IDSIA, Co-Founder und Chief-Scientist von NNAISENSE, Professor für KI, USI & SUPSI, der Deutschland mehr Patente in der künstlichen Intelligenz bescheinigte als die USA und China zusammen. Diese breite und offene Diskussion war ein Merkmal des mit über 1800 Besucher ausgebuchten Digitalgipfel.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch die Wirtschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg Nicole Hoffmeister-Kraut. Hoffmeister-Kraut sprach sich dafür aus, künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren in das Zentrum der Wirtschafts- und Innovationspolitik des Landes zu stellen und dabei besonders auch den Mittelstand im Blick zu haben. „Künstliche Intelligenz ist eine wirtschaftliche Jahrhundertchance für unser Land, die wir auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen dürfen. In diesem Prozess sind alle Akteure gefordert. ,KI made in BW‘ muss zum international sichtbaren Markenzeichen werden“, sagte Hoffmeister-Kraut.

Zusammen mit rund 1800 Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft hat Hoffmeister-Kraut heute in der Stuttgarter Carl Benz Arena über künstliche Intelligenz und die Digitalisierung von Unternehmen in BW diskutiert. Die Wirtschaftsministerin zeigte sich begeistert von der großen Resonanz: „Gerade die große Besucherzahl aus dem Baden-württembergischen Mittelstand zeigt, dass die Wirtschaft bei dem Schlüsselthema Digitalisierung auf eine gute Vernetzung mit Wissenschaft und Politik setzt. Mit dem Digitalgipfel 2019 leistet das Wirtschaftsministerium einen Beitrag dazu, dass sich Unternehmen über Fördermöglichkeiten und aktuelle Trends beim Thema Digitalisierung informieren und dann in die Umsetzung gehen können“, sagte die Wirtschaftsministerin. „Im Hinblick auf unsere dezentrale Wirtschaftsstruktur ist es mir ein besonderes Anliegen, gerade auch die kleinen und mittleren Unternehmen in der Fläche des Landes bei der Gestaltung der digitalen Transformation zu unterstützen. Deshalb haben wir zehn regionale Digital Hubs auf den Weg gebracht.“

Weitere Redner wie Prof. Cédric Villani, Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, Träger der Fields-Medaille und europaweit anerkannter KI-Experte, sowie KI-Pionier Prof. Jürgen Schmidhuber gingen ebenso dem Potenzial von KI auf den Grund. Konkrete KI-Anwendungsfälle erläuterten beispielsweise Antje Leminsky, Vorstandsvorsitzende der Grenke, und Hala Zeine, President Digital Supply Chain von SAP. Für den Mittelstand und die Fertigungsindustrie waren unter anderem Mathias Kammüller von Trumpf und Sven Donisi, Geschäftsführer von Rosswag, vor Ort und stellten ihre Erfolge im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz vor.

Hoffmeister-Kraut betonte: „Der breite Einsatz von KI bietet herausragende Wachstumspotenziale für die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Wir haben die Chance, betriebliche Prozesse effizienter zu gestalten, Produkte und Dienstleistungen noch intelligenter – nämlich kognitiv – zu machen und letztendlich komplett neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, um damit dann auch international zu punkten.“ Dazu müsse es ein ausdifferenziertes Unterstützungsangebot des Landes geben. In diesem Zusammenhang kündigte Hoffmeister-Kraut an, dass mit regionalen KI-Labs gerade auch der Mittelstand in der Fläche des Landes erreicht werden solle.

„Zusätzlich unterstützen wir mit den vom Technologiebeauftragten initiierten Pop-up-Laboren den digitalen Wissenstransfer im Land. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir das Bewerbungsverfahren für die nächsten Standorte des Pop-up-Labors pünktlich zum Digitalgipfel starten können,“ sagte sie. Im Rahmen dieser Initiative werden auf eine Dauer von rund einer Woche begrenzt Lern- und Experimentierräume in verschiedenen Regionen errichtet, in denen sich kleine und mittlere Unternehmen niederschwellig und ortsnah mit Innovationsthemen beschäftigen können.

„Die heutigen Vorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops zeigen, dass es bereits heute eine Vielzahl an Unternehmen im Land gibt, die für ,KI made in BW‘ stehen. Diese Strukturen müssen weiter gestärkt und gefördert werden“, so die Ministerin und hinzufügend: „Mit dem Aktionsprogramm ,KI für den Mittelstand‘ leisten wir einen Beitrag dazu, dass gerade auch bei den mittelständischen Unternehmen die Anwendung von KI erfolgreich umgesetzt werden kann. Mit einem ,Innovationspark KI‘ als physisches Innovations- und Wertschöpfungszentrum für KI-Produkte und -Dienstleistungen wollen wir Baden-Württemberg national und international bei der Kommerzialisierung von KI mit an die Spitze setzen. Dazu werden wir eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, um wirtschaftliche, finanzielle, technische und rechtliche Fragen und nicht zuletzt auch den unabdingbaren Flächenbedarf vorab hinreichend zu klären.“

Die Wirtschaftsministerin sprach sich auch dafür aus, die ethischen Fragen im Zusammenhang mit KI ernst zu nehmen. Sie sei davon überzeugt, dass langfristig gesehen eine menschenzentrierte KI die besten Marktchancen haben werde. Dies solle nach Auffassung der Ministerin schon bei den Entwicklungsprozessen für KI berücksichtigt werden.

Gemeinsam mit Cédric Villani plädierte die Wirtschaftsministerin mit Nachdruck dafür, die Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg und Frankreich zu stärken. Baden-Württemberg wolle sich maßgeblich an dem von der Bundesregierung und dem französischen Präsidenten geplanten Deutsch-Französischen Zentrum für künstliche Intelligenz beteiligen. Derzeit würden auch Möglichkeiten geprüft, wie die Zusammenarbeit bei wichtigen KI-Themen wie zum Beispiel maschinelles Lernen oder Robotik gestärkt werden könne.

Aber auch über künstliche Intelligenz hinaus fördert das Wirtschaftsministerium Unternehmen bei der Digitalisierung. So wurden neben Erfolgsgeschichten und Best Practices aus dem Mittelstand auch konkrete Fördermöglichkeiten vorgestellt. In den Workshops konnten sich die Teilnehmenden beispielsweise über Fördermaßnahmen wie die Digitalisierungsprämie informieren, mit der in den letzten neun Monaten mehr als 1500 Unternehmen bei der Umsetzung konkreter Digitalisierungsprojekte mit bis zu 10 000 Euro unterstützt wurden.

Der Digitalgipfel ist die zentrale Spitzenveranstaltung der Initiative „Wirtschaft 4.0“, die von der Wirtschaftsministerin vor zwei Jahren gestartet wurde. Im Rahmen der Initiative unterstützt das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit 36 Partnern aus Unternehmen, Kammern und Verbänden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Wirtschaftsorganisationen Unternehmen im Land bei der digitalen Transformation.

Die landesweite Digitalisierungsstrategie

Die Digitalisierung ist ein zentraler Arbeitsschwerpunkt der Landesregierung: Rund eine Milliarde Euro werden in dieser Legislaturperiode in die Digitalisierung investiert, rund die Hälfte davon in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Alle Vorhaben werden unter dem Dach des Digitalisierungsministeriums koordiniert und gebündelt. Mit „digital@bw“ wurde im Sommer 2017 die erste landesweite und ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie vorgestellt. Dazu werden rund 70 Projekte mit einem Volumen von 265 Millionen Euro umgesetzt, um Baden-Württemberg als Leitregion des digitalen Wandels in Europa zu verankern. Schwerpunkte von „digital@bw“ sind die Bereiche Intelligente Mobilität der Zukunft, digitale Start-Ups, Wirtschaft 4.0, Bildung und Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung, digitale Gesundheitsanwendungen sowie digitale Zukunftskommunen und Verwaltung 4.0. Dazu kommen die Querschnittsbereiche Forschung, Entwicklung und Innovation, Nachhaltigkeit und Energiewende, Datensicherheit, Datenschutz und Verbraucherschutz.

 

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