BERLIN, Mitte Juli. Mit einer Warnung vor einer Spaltung der Zulieferer-Landschaft startete Schirmherr Professor Bernd Gottschalk, Geschäftsführer von Autovalue, den 6. Facton-Fachkongress. Die Teilung beginne, so der Gelehrte, wenn vor allem kleinere und mittlere Zulieferer den Herstellern nicht ins Ausland folgen könnten, wo das Wachstum zum Großteil stattfinde. „Die optimale Wertschöpfungskette in einer globalisierten Welt stellt neue und hohe Ansprüche an alle Partner“, sagte Gottschalk. „Es ist ein Irrglaube, dass OEMs an schwachen Zulieferern interessiert seien. Sie wollen neben dem besten Preis auch starke, internationale Partner“, sagt er eindringlich.
Beim Automobilhersteller Jaguar Land Rover (JLR) lege man längst Wert auf eine faire Zusammenarbeit mit Zulieferern, betonte Adrian Mardell, Deputy CFO and Operations Controller bei JLR. Dafür spreche auch, dass sein Unternehmen zum beliebtesten OEM gewählt worden ist. Entscheidend sei, dass man Zulieferer früh genug einbeziehe. JLR hat nach dem Neuanfang 2008 sein Kostenmanagement neu aufgestellt. Unter anderem wurde die Anzahl der Kostencontroller auf rund hundert Mitarbeiter aufgestockt. „Es reicht nicht, Transparenz lediglich bei seinen Lieferanten einzufordern“, erklärte Mardell. „Man muss auch im eigenen Unternehmen seine Kosten lückenlos überblicken.“
Früher habe das Unternehmen Kostendaten, wie etwa die aus der Vorproduktion und Produktion, getrennt betrachtet. Es wäre schlichtweg kein IT-Tool im Einsatz gewesen, das die Daten zusammenbringen konnte. „Wenn Abteilungen in getrennten Schubladen kalkulieren, ist dies gefährlich. Unsere positive Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass es richtig ist, das Kostenmanagement als Gesamtaufgabe zu betrachten.“ Zur Unterstützung gebe es entsprechende IT-Systeme – Unternehmen müssten jedoch nicht nur bereit sein, diese zu nutzen, sondern auch ihre grundsätzliche Einstellung zu ändern und innovative Kostenmanagementansätze zu finden.
Mardells Auffassung zu Transparenz und Teamwork im Unternehmen spiegelten sich auch bei Oliver Weiß, Leiter Finanzen, Controlling & IT bei Bosch Mahle Turbo Systems, wieder. Sein Beitrag zeigte anschaulich, wie das Unternehmen in einer Phase massiven Wachstums die Ausgaben unter Kontrolle hält. „Schnell und unkontrolliert zu wachsen, kann den nachhaltigen Erfolg gefährden “, mahnte Weiß. „Wer beispielsweise einen neuen Standort in China erschließt, muss die neuen Kollegen von Beginn an einbeziehen. Dies bedeutet auch, ein gemeinsames Kostenverständnis und einheitliche Standards einzuführen.“ In kürzester Zeit ein effizientes, konzerngerechtes Kostenmanagement zu etablieren, fordere auch viel Engagement von den Mitarbeitern – aber auch Verständnis, etwa wenn Templates kontinuierlich verbessert und somit ständig ausgetauscht würden. „Das Team muss bereit zum Umdenken sein. Die Erfahrung hat dabei gezeigt, dass eine steigende Transparenz und sichtbare Ergebnisse die Kollegen motivieren.“
Maschinenbau verlangt nach pragmatischen Lösungen
Im Maschinenbau kenne man diese Grundzüge genauso wie in der Automobilindustrie, bestätigte Jens Delventhal, Head of Production Material/Corporate Purchasing bei Körber. Allerdings seien die personellen Voraussetzungen in einem typischen Körber-Unternehmen anders als bei seinen Vorrednern: Beispielsweise stehen nur wenige Mitarbeiter für den Einkauf zur Verfügung. Sie erfüllen gleichzeitig mehrere Rollen und sind unter anderem etwa zuständig für das Cost Controlling. „Maschinenbau heißt Pragmatismus“, so Delventhal. „Wir müssen intelligente Lösungen anbieten, um die knappen Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen.“ Im Einkaufscontrolling gelte die Devise, weniger ist mehr. Schließlich müssten Aufwand und Nutzen in der richtigen Relation stehen: Es müsse mutig vorgeben, was gemessen wird, und auf welche Kennzahlen man verzichten könne. Ansonsten könne es passieren, dass überflüssige Kennzahlen betrachtet würden, die für keinen aktuellen Kunden relevant seien.
Das Problem sei nicht nur die Entscheidung, was und wie viel man messe, sondern auch die Frage, wie und wofür man die Daten verwende, ergänzte Andreas Müller, CFO bei Georg Fischer Automotive. Bei Georg Fischer erhebe man zwar viele Daten, verdichte diese aber massiv: „Unser Management-Dossier hat zehn KPIs“, sagte Müller. „Wir fokussieren uns stark auf ein treiberbasiertes Monitoring. Das bedeutet, wir schauen nicht nur auf die einzelnen Kennzahlen, sondern auch darauf, was in Zukunft unser Business und diesen KPI beeinflussen wird.“
Der Schlüssel zum Erfolg seien Flexibilität und Innovation. Dies gelte bei einem Gießerei-Unternehmen wie Georg Fischer naturgemäß für die Produkte, die immer leichter werden müssten. Man müsse diese Prinzipien aber auch beim Kostenmanagement anwenden. Gießereien seien durch rigide Produktionsstrukturen und Immobilität gekennzeichnet. „Ein Werk an einem neuen Standort zu eröffnen, steht zumindest nicht auf unserer Tagesordnung. Es bedeutet ein Investment von rund 150 Millionen Euro“, erklärt Müller. „Wir müssen daher kontinuierlich strategische Optionen erarbeiten. Das gelingt uns nur, indem wir Alternativen und Einsparpotenziale schnell erkennen.“
Vorsicht vor überzogenen Erwartungen
Zu einem gesunden Pragmatismus bei den Anforderungen im Cost Controlling rief auch Rainer Sauerwald, Vice President Finance Transformation bei NTT Data Deutschland, auf. Häufig stellten Unternehmen überzogene oder aber wenig zielführende Ansprüche an ihre Produktkostenkontrolle. Das Beratungsunternehmen starte seine Arbeit beim Kunden daher mit einem standardisierten Fragebogen, der eine realistische Einschätzung der Ist- und Soll-Situation gebe.
Um profitabel zu wachsen, müssten die meisten Unternehmen heute eine außergewöhnliche Komplexität der Kosten managen. Beispielsweise lösen in der Automobilindustrie individuelle Kundenwünsche, Varianten- und Teilevielfalt eine Datenflut aus. Diese müssen nicht nur verwaltet, sondern auch überblickt werden. Ohne IT-Unterstützung sei dies eine undenkbare Aufgabe. Jedes Unternehmen müsse daher die richtigen Tools für sich definieren und innovative Lösungen im Kostenmanagement beschreiten.
Gemeinsam mit dem Kooperationspartner TMG Consultants stellte Martin Voigt, Director Presales & Business Development bei der Facton GmbH mit Sitz in Potsdam, die Ergebnisse der gemeinsamen Marktstudie „Herausforderung Angebotskalkulation“ vor. Im Rahmen dieser Studie wurden sowohl aktuelle Methoden und Tools als auch die Organisation der Angebotskalkulation produzierender Unternehmen erfasst und an den aktuellen Markterfordernissen und Trends gespiegelt.
Alexander M. Swoboda, CEO bei Facton (unser Bild), zog am Ende des Veranstaltungstages ein positives Resümee: „Unsere Kongressteilnehmer haben deutlich gemacht, dass das Kostenmanagement nicht als Notwendigkeit, sondern als Chance begriffen werden muss. Am Ende des Tages ließe sich sogar sagen: Mutter des Wachstums ist ein transparentes Kostenmanagement.“