Projektmanagement: Wirkungsvoll im Hintergrund

Holger Lörz, Geschäftsführer der Allex Project GmbH (unser Bild), spannt den Bogen von einem Projektmanagement im Elfenbeinturm zu einem praxistauglichen, das dem Ingenieur die Arbeit wirklich erleichtert.

Herr Lörz, Allex.ai hat gerade den Maschinen- und Anlagenbau im Visier. Hat diese Sparte überhaupt etwas mit systemgestütztem Projektmanagement am Hut?
Sie haben recht, zunächst finden es alle fürchterlich, weil man sich dabei an Regeln und Standards halten muss. Man will keine langwierige Ausbildung zum Projektmanagement machen, sondern schnell eine einfache, konkrete Unterstützung für die eigene Projektarbeit haben. Die bisher im Markt verfügbare Software sind Tools für Profiplaner: einer hat professionell geplant, und die anderen müssen es umsetzen. Gesteuert wird dann oft mit Excel, und der Plan wird dann vom Profiplaner im Nachhinein angepasst.

Wie unterscheidet sich Ihr Tool von anderen?
Wir verstehen Projektmanagement als Methodik, die im Hintergrund bleibt. Allex.ai löst die Aufgaben – ähnlich wie SAP für die Bilanzierung von finanztechnischen Fragestellungen, nur eben für das Projektgeschäft. Es bereitet die Entscheidungen vor, die notwendig sind, um eine ideale Kapazitätssteuerung, Tasks-Zuweisung und Terminplanung umzusetzen. So wird der Anwender effektiv bei der Projektabwicklung unterstützt.

Welcher Zusammenhang ergibt sich zum Engineer-to-Order-Geschäftsmodell?
Engineer to Order im Maschinen- oder Anlagenbau bedeutet Projektgeschäft. Die meisten dieser Firmen haben pro Auftrag eine Losgröße von eins bis drei. Hinzu kommen Neuentwicklungen, die parallel angegangen werden. Diese Situation ruft ein dediziertes Multiprojektmanagement auf den Plan.

Projektmanagement bei vielen Projekten

Projektmanagement: Wirkungsvoll im Hintergrund

Holger Lörz

Und wo liegt der Mehrwert eines Multiprojektmanagements?
Gehen wir von 100 Projekten aus, die in einem Unternehmen parallel laufen. Manche davon sind in Planung, manche bereits in Arbeit, andere wiederum zurückgestellt. Aus diesem Fundus müssen Sie die Aufgaben auf die Abteilungen verteilen, und es müssen Übergaben erfolgen. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter mit der gleichen Priorität an den einzelnen Projekten arbeiten, um in der beabsichtigten Reihenfolge die termingerechte Fertigstellung zu gewährleisten. Unsere Software sorgt dafür, dass das gesamte Unternehmen in allen Projekten mit der gleichen Reihenfolge, die sich durch einen Dringlichkeitsfaktor ergibt, arbeitet. Die Firma wird quasi durchgetaktet.

Dringlichkeitsfaktor? Wozu dient er?
Aus dem Dringlichkeitsfaktor wird die Reihenfolge der Projekte berechnet. Nehmen wir an, der Engpass im Unternehmen befindet sich in der Montage. Oder es hat nur drei Teams, sodass die Mitarbeiter nicht an fünf Projekten gleichzeitig arbeiten. Wird eine Dringlichkeit nicht berücksichtigt, kommt es zum sogenannten negativen Switch Tasking, weil Mitarbeiter ihre Arbeit zwischendurch unterbrechen müssen, um an einem anderen Projekt weiterzumachen. Dadurch verzögert sich die Projektabwicklung insgesamt.
Wichtig ist daher, eine Projektreihenfolge zu definieren, die sich nicht nur am Ablieferungsdatum orientiert. Beeinflusst wird die zielführende Projektreihenfolge auch von der Projektlänge und den immanenten Risiken. Der Dringlichkeitsfaktor bewirkt, dass ein Unternehmen mehr Projekte mit der gleichen Mitarbeiteranzahl ausführen kann.
Hierzu wird der Wertschöpfungsprozess in einem Template abgelegt. Dazu gehören der Projektbeginn – meist, wenn der Auftrag vorliegt – und der Projektabschluss mit der Maschineninbetriebnahme beim Kunden, eventuell mit Training und Produktionsbegleitung. Mit Allex.ai ist unmittelbar ersichtlich, an welcher Stelle und in welchem Status sich das Projekt gerade befindet – und das bei allen Projekten, sozusagen in Echtzeit. Damit kennen Sie auch die momentane Gesamtauslastung im Unternehmen oder sehen, wie sie sich in den nächsten sechs Monaten entwickelt.

Das klingt nach paradiesischen Zuständen. Warum funktioniert das so gut?
Wir verbinden Ressourcen, Aufgaben und Projekte intelligent in einer Software. Es nützt Ihnen nichts, wenn jeder Projektleiter seine eigene To-do-Liste in Excel pflegt und unabhängig davon die Teamleiter ihre Urlaubsplanung und die Projektplaner ihre Projektplanung machen. Liegen die Daten in drei getrennten Systemen vor, können sie nicht konfliktfrei aufeinander abstimmt werden. Zum Beispiel merkt der Projektleiter nicht, wenn ein Teamleiter einem seiner Mitarbeiter bereits den Urlaub genehmigt hat, dieser jedoch für diesen Zeitraum für die Inbetriebnahme einer Maschine eingeplant ist.

Hat mit Ihrer Lösung der altbekannte Projektmanager ausgedient, und es wird jeder zum Projektmanager?
Ein gewisses Führungsverständnis ist notwendig. Aber: Jede Führungskraft kann mit unserer Software Projektmanager sein. Wir bezeichnen ihn auch gerne als Projektleiter über Nacht. Der Anwender kann seine Fachkenntnisse in seiner Projektarbeit einsetzen, ohne eine langjährige Ausbildung oder Zertifizierungen durchlaufen zu müssen.

Große Bedeutung wird dem Projektmanagement im Großanlagenbau beigemessen. Wo aber steht der Maschinenbau dabei?
Die Bedeutung ist erkannt, die abteilungsübergreifende und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit muss verbessert werden. Die meisten Softwareanbieter nähern sich dem Thema mit einem Kollaborationsansatz nach dem Motto: Wir müssen auf Ausführungsebene besser zusammenarbeiten. Wenn wir das können, dann sind auch die Projekte erfolgreich. Hierzu gehören Firmen wie Asana, Monday oder Trello mit Taskmanagement und Kanban-Boards. Diese Firmen beherrschen allerdings nicht das Multiprojektmanagement und die Integration von Ressourcen. Kein Zweifel, in der Einzelprojektabwicklung haben sie ihre Qualitäten. Allex.ai indes betrachtet die Problematik von einem Top-down-Ansatz aus. Wir sagen: Zuerst kommt das Portfolio, dann das Projekt, dann die Aufgaben und Ressourcen – und nicht umgekehrt! In den Projekten wird mit Allex zudem der gesamte Wertschöpfungsprozess abgebildet – es ist eben ein aus der Praxis entwickeltes Industrietool, kein reines Projektmanagementtool.

Der Platzhirsch im Sinne von Projektmanagementtools ist MS Project. Wie halten Sie mit Allex.ai dagegen?
Bei MS Project brauchen Sie jemanden, der die Administration und Bedienung des Tools beherrscht. Es ist ein reines Planungstool – weniger für die Steuerung und Umsetzung von Projekten geeignet, bei denen auch die Ressourcen eine große Rolle spielen. Außerdem sind umfangreiche Schulungen vonnöten. In all den Jahren, in denen ich das Tool selbst genutzt habe, ist es mir nicht gelungen, Ressourcen in einer Multiprojektlandschaft einfach und effizient den Aufgaben zuzuordnen, geschweige denn, eine vernünftige Kapazitätssteuerung zu gewährleisten. Außerdem kann der Plan nicht so ohne Weiteres neuen Gegebenheiten angepasst werden. Bei uns geschieht dies automatisch: Wenn jemand eine digitale Rückmeldung über sein Smartphone abgibt – zum Beispiel, dass weitere fünf Tage notwendig sind, sagen wir: bis die Montage fertig ist –, aktualisiert Allex.ai den Plan aus eigenen Stücken. Dazu ist kein Profiplaner notwendig. Bei MS Project muss man als Planer Kontakt zu den ausführenden Abteilungen halten, damit der Plan einigermaßen die Realität widerspiegelt. Deshalb hinken diese Pläne meist hinterher, und die Abteilungen nehmen die Planung selbst in die Hand. Auf den Punkt gebracht: Bei MS Project ist der Planungs- vom Umsetzungsprozess getrennt, und die Einbeziehung von Ressourcen ist eine sehr komplexe Angelegenheit, sodass dies in der Praxis kaum durchgeführt wird. Auch ist die Implementierung und das Onboarding neuer Mitarbeiter recht aufwendig und teuer.

Ihr Unternehmen unterstützt das sogenannte Critical Chain Project Management. Was steckt dahinter?
Das Critical Chain Project Management umfasst insgesamt zwölf Erfolgsfaktoren, die ich in meinem Buch zusammengefasst habe. Davon greife ich hier einmal einen heraus: Wenn Sie zum Flughafen fahren, fahren Sie rechtzeitig los und haben einen zeitlichen Puffer eingeplant, etwa für Staus während der Fahrt oder Komplikationen bei der Sicherheitskontrolle. Allerdings: Die meisten Projekte in der Industrie werden ohne transparenten Puffer geplant. Die entsprechenden Risiken sind in den Angaben der einzelnen Abteilungen versteckt. Fragen Sie den Montageleiter, lässt er Sie zum Beispiel wissen, dass er für eine bestimmte Tätigkeit zehn Tage benötigt, und verschweigt, dass dabei drei Tage Puffer dabei sind. Der Grund: Er wird an der Einhaltung der Termine gemessen. Allex.ai aber will, dass alle miteinander ehrlich umgehen können, weist daher die Puffer explizit aus und stellt sie ans Ende des Projekts. Damit kann jeder Beteiligte auf die Puffer zugreifen. Der eine muss sie in Anspruch nehmen, der andere aber nicht. Mit dieser Offenlegung reduziert sich die Projektlaufzeit insgesamt um etwa 25 bis 30 Prozent. Auch über die Reihenfolge der Projektabarbeitung lassen sich Einsparungen erzielen, und zwar dann, wenn alle, wie bereits erwähnt, mit der gleichen Dringlichkeit arbeiten.

Vielen fürs Gespräch!
Interview: Bernhard D. Valnion

 

 

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