Beschreibung
MBSE: kein Hirngespinst der IT-Fachabteilung
Editorial der Ausgabe 2019/01
Der systemische Ansatz in der Produktentstehung und, damit verbunden, Model-based Systems Engineering (MBSE) gehören zu jenen Themen, die derzeit in den einschlägigen Fachkreisen für viel Furore sorgen. Doch so neu ist MBSE eigentlich nicht. Denn Gerhard Pahl und Wolfgang Beitz haben mit dem Standardwerk „Konstruktionslehre“ bereits 1977 die wesentlichen Grundlagen hierfür zusammentragen.
„Liebe Mechanikingenieure, die ihr euch gar so sträubt gegen MBSE: Stellt euch doch nur vor, der Arzt eures Vertrauens würde jede Weiterbildungsmaßnahme kategorisch ablehnen und mit Methoden arbeiten, die vor 50 Jahren Stand der Erkenntnis waren – also bevor Pahl und Beitz ihr berühmtes Buch geschrieben haben –, was würdet ihr von seiner Diagnose halten?“ (Dr. Bernhard Valnion)
Durch den Siegeszug von 3D-CAD wurde der abstrakte, modellbasierte Zugang zur Lösung von Konstruktionsaufgaben freilich für mindestens zwei Dekaden aus der ersten Reihe verbannt. Im Grunde genommen steht die Einführung von CAD für das Errichten von Datensilos in den Domänen MCAD und ECAD (siehe Beitrag 34 in dieser Ausgabe), wobei die Mechanikingenieure lange Zeit die Wortführerschaft für sich in Anspruch nahmen. Und gerade diese Fraktion tut sich nun besonders schwer, neue Methoden in der Entwicklung zu übernehmen. Dies brachten die Recherche und viele Hintergrundgespräche zutage, nicht nur im Rahmen einer Studie zum Meinungsbild zu MBSE, sondern auch in meiner Tätigkeit als Fachjournalist. Dort, wo Vorschriften den eindeutigen Nachweis verlangen, dass bestimmte Anforderungen vom Gesamtsystem auch tatsächlich erfüllt werden – etwa beim autonomen Fahren –, fällt MBSE auf fruchtbaren Boden. Denn typische Ziele, die mit MBSE verfolgt werden, sind die verbesserte Kommunikation zwischen den Engineeringdisziplinen auf Basis eines allgemein verständlichen, konsistenten Systemmodells und ein systematisches Anforderungsmanagement einschließlich Anforderungsabprüfung. Nun, da wir an einem Punkt angekommen sind, an dem die domänenübergreifenden Abhängigkeiten in den Produkten derart zugenommen haben, dass mehr oder weniger in jedem Vortrag aus dem Engineering der Begriff „Komplexität“ fällt, ist sie wieder da, die große Stunde von MBSE. Das Denken und Handeln in Systemen brauchen wir bei der Umsetzung von wirtschaftlich sinnvollen Predictive-Maintenance-Szenarien (Beitrag auf Seite 28) ebenso wie bei der zukünftigen Gestaltung von Multimedia-Erlebniswelten in Fahrzeugen (Beitrag auf Seite 74).
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